Der Gap ist größer als die meisten Menschen ahnen. Von Herzerkrankungen über ADHS bis Wechseljahre – Frauengesundheit wurde über Jahrzehnte nicht richtig ernstgenommen. Zu lange wurde bei der Gesundheitsforschung, Lehre und Versorgung von einem männlichen Normkörper ausgegangen. Wer davon abweicht, hat es schwieriger, die optimale Versorgung zu erhalten. Frauenherzen schlagen anders, das hat sich inzwischen vielerorts rumgesprochen. Weniger bekannt: Die Diagnostik von ADHS zum Beispiel ist meistens auf Jungs ausgelegt. Veralteten Studien zufolge sollen bis zu zehnmal so viele Jungs betroffen sein wie Mädchen. Doch diese Zahlen kommen vor allem zustande, weil die Diagnosekriterien auf Jungs gemünzt sind. Mit erheblichen Folgen: Die übersehene bzw. verspätete Diagnose ADHS ist mit einem erhöhten Risiko für Depressionen im Erwachsenenalter assoziiert – die Leidtragenden sind meistens Frauen.
Es gibt auch Entwicklungen, die Hoffnung machen. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz werden klinische Daten unter Angabe des Geschlechts gesammelt und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Zudem haben wir ab 2023 fortlaufend fünf Millionen Euro für die Endometriose-Forschung eingesetzt. Jede zehnte Frau ist davon betroffen. Bis zur Diagnose dauert es im Schnitt 8 Jahre, auch weil die Symptome von Ärzt*innen häufig nicht ernstgenommen bzw. als normale Menstruationsbeschwerden abgetan werden. Der politische Druck, der durch den Aufschrei der Betroffenen ausgelöst wurde, hat hierbei eine wichtige Rolle gespielt und wird auch in Zukunft ein wichtiges Instrument sein, um mehr Gleichberechtigung – unter anderem in der medizinischen Versorgung – zu erreichen.
Allerdings besteht noch in vielen Bereichen eine große Lücke. Bis heute sind Frauen mit 33% Anteil in klinischen Studien unterrepräsentiert, dabei machen sie 51% der Bevölkerung aus. Und obwohl der prozentuale Anteil von Frauen im Medizinstudium stetig steigt und derzeit bei über 60% liegt, waren 2024 nur 14% von Führungspositionen in klinischen Fächern und Dekanaten der deutschen Universitätsmedizin von Frauen besetzt. Die Führungsgremien im Gesundheitswesen und Professuren in den Universitäten sind immer noch überwiegend Herren Clubs. Das muss sich ändern, denn vielfältige Perspektiven in Entscheidungsgremien sind nicht nur gerechter, sie sorgen auch für bessere Ergebnisse.
In folgendem Artikel, für den ich zum Gender Health Gap befragt wurde, bekommt ihr zudem noch weitere Einblicke aus der Medizin und der Wissenschaft: