Als Schirmfrau des Gartens der Menschenrechte in Bremen halte ich heute eine Rede zum Tag der Menschenrechte (10. Dezember). Hier könnt ihr sie nachlesen: 

Sehr geehrte, liebe Gudrun Stuck,
sehr geehrte, liebe Witha Winter von Gregory,
liebe Engagierte für die Menschenrechte,
und ganz besonders: liebe Kinder, die heute schon so schön für den Frieden musiziert haben. Danke!

Ich freue mich sehr, Sie und euch heute als Schirmfrau des Gartens der Menschenrechte begrüßen zu dürfen – am Tag der Menschenrechte. Toll, dass Sie da sind, herzlich willkommen, danke, dass Sie sich für die Grundlage unseres Miteinanders einsetzen: für die Menschenrechte.

Im Garten der Menschenrechte wird sichtbar, was sonst oft abstrakt bleibt: dass Menschenrechte wachsen wollen. Dass sie Licht brauchen. Und dass sie – wenn man sie vernachlässigt – nicht etwa „von allein“ stabil bleiben, sondern verwelken können. Mehr noch: Sie brauchen Schutz.

Wenn Autokraten absichtlich Menschenrechte mit Füßen treten, wenn sie Ausgrenzung und Hass befeuern, dann ist das ein Angriff auf uns alle, auf die Menschlichkeit ansich. Die Faschisierung nimmt weltweit zu und damit auch die Angriffe auf die Menschenrechte.

Weltweit gibt es maximale Verletzungen der Menschenrechte: Die Foltergefängnisse von Assad, die Massaker an Drusen durch seinen Nachfolger, die Verschleppung von Schulkindern in Nigeria, Angriffe auf Kindergärten und Krankenhäuser im Sudan, US-Gefängnisse in Mittelamerika ohne Recht und Gesetz. Gräueltaten, so unvorstellbar, das sie kaum jemand wahrhaben will und wir gerade deswegen hinschauen müssen und unsere Aufmerksamkeit auf die Menschen lenken müssen, die entrechtet werden.

Niemals aber sind sie entwürdigt, denn die Würde des Menschen ist unantastbar!

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – damals wie heute ein Auftrag

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

Dieser berühmte Satz steht ganz am Anfang der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – verabschiedet vor genau 77 Jahren, am 10. Dezember 1948.
Er steht auch hier im Bremer Rhododendronpark, am Eingang zum Garten der Menschenrechte. Ein Satz, der so einfach klingt, kluge Kinder würden wohl sagen, ist doch klar, was sonst?  – und doch ist der Satz so radikal, dass er weltweit mutige Menschen in Gefahr bringt, wenn sie ihn einfordern.

Der 10. Dezember erinnert uns an die Schrecken, die zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geführt haben, die Nazigräuel. Und er ruft uns dazu auf, heute hinzusehen, jeden Tag hinzusehen und gegen die Verletzung der Menschenrechte aufzustehen. Es gibt viel hinzusehen und eine große Notwendigkeit aufzustehen gegen Menschenverachtung.

In Zeiten, in denen autoritäre Ideologien wieder lauter werden, in denen Faschisierung nicht nur ein politisches Schlagwort, sondern vieler Orts – erschütternd aktuell in den USA, aber auch eine zunehmende Bedrohung hier bei uns in Deutschland – bittere Realität ist, in denen Minderheiten angegriffen und Demokrat*innen bedroht werden – in solchen Zeiten sind wir gefordert standhaft zu sein, für einander einzustehen. Und laut. Und wach.

Wir müssen die Menschenrechte nicht nur leuchten lassen – wir müssen manchmal auch die Taschenlampe auf die Stellen richten, an denen manche besonders gern das Licht ausknipsen würden. Und das klappt am besten gemeinsam!

Frauenrechte – der Weg ist noch weit

Als Bundestagsabgeordnete unseres schönen Bremens, als Grüne, als Ärztin, als Mutter, als Oma liegen mir Frauenrechte besonders am Herzen.
„Männer haben Angst, dass Frauen über sie lachen. Frauen haben Angst dass Männer sie töten.“ dieser Satz der wunderbaren kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood trifft hart und er trifft die Realität.
Gewalt gegen Frauen ist alltäglich. Die Türkei ist 2021 aus der Istanbul-Konvention ausgestiegen, kürzlich folgte – leider! – Lettland. Die Zahlen aus Bremen sprechen ihre eigene Sprache: 3.522 Fälle häuslicher Gewalt allein im Jahr 2024, neun Femizide in den Jahren davor.
Ein gewalttätiger Übergriff gerade letzte Woche auf ein lesbisches Paar, dass sich küsste. Hier in Bremen. Mitten in die Zärtlichkeit hinein: Gewalt.
Das sind nicht nur Zahlen – das sind Leben. Familien. Schicksale.
Frauen haben ein Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper.
Frauen haben ein Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung – ein Recht darauf dass die medizinische Lehre, Forschung und Praxis nicht länger nur vom männlichen Normkörper ausgeht!
Frauen haben ein Recht auf Sicherheit und Schutz vor Gewalt.
Frauen haben ein Recht nicht vom alltäglichen Sexismus geplagt zu werden.
Der Gender Pay Gap liegt bei 18 Prozent. Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. Zu Lasten aller.
Und im Bundestag? Der Frauenanteil beträgt gerade einmal 32 Prozent. Bei uns Grünen sind es 61 Prozent – schön wäre es, wenn das irgendwann mal nicht mehr erwähnenswert wäre.

Die Rechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen – ein blinder Fleck unserer Gesellschaft

Als Psychiaterin sehe ich auch hier: Die Stigmatisierung nimmt wieder zu. Bei Menschen mit Depressionen und Angststörungen ist die gesellschaftliche Anerkennung etwas besser geworden, aber Menschen mit Psychosen, mit Suchterkrankungen werden wieder zunehmend abgewertet.
Die die ohnehin schon zu oft aus dem Blick geraten, drohen in der angespannten politischen Lage, noch weiter aus dem Blick zu geraten, mehr noch aus dem Blick geschoben zu werden.
50 Jahre nach der Psychiatrie-Enquete, die sich gegen den seit dem deutschen Faschismus weiter bestehenden sozial-darwinistischen Geist in deutschen Psychiatrien wandte, sehen wir eine gesellschaftliche Entwicklung, die wieder mehr Zwang und Ausgrenzung fordert.
Die Innenministerkonferenz diskutiert Verschärfungen der Psych-Kranken-Gesetze, die Angst schüren statt Schutz zu bieten.

Der Entwurf zur Bürgergeldreform erlaubt Sanktionen bei versäumten Jobcenter-Terminen – selbst dann, wenn psychische Erkrankungen die Ursache sind. Das ist ungefähr so sinnvoll, wie jemanden mit einem gebrochenen Bein fürs langsame Laufen zu bestrafen.
Aber auch hier gibt es Grund zu Zuversicht: Jugendliche fordern mehr Unterstützung für ihre mentale Gesundheit – und sie haben vollkommen Recht. Es ist notwendig für die Rechte von Menschen in seelischen Drucksituationen und psychisch Kranke einzutreten. Das gibt uns schon die UN-Behindertenrechtskonvention auf!
Jede Person kann psychisch krank werden. Aktuell empfinden gegen etwa 1/3 der Menschen in Deutschland an sich seelisch stark belastet zu fühlen.
Wenn wir einander in unserer Hilfebedürftigkeit anerkennen, helfen wir Menschen individuell und stärken unsere Demokratie.

Warum wir heute hier sind

Und genau deshalb ist dieser Tag so wichtig.

Wir alle – Sie, wir, das Orga-Team, die Musiker*innen, die Kinder, Sie die Tee gekocht, diesen Tag vorbereitet haben, musizieren, die Kerzen angezündet haben, die uns heute den Weg hierher geleitet haben – sie alle, wir bringen Licht in eine Welt, die es bitter nötig hat.

Sie alle bringen die Menschenrechte nicht nur symbolisch zum Leuchten – Sie tragen das Licht in den Alltag!

Unser gemeinsamer Auftrag

Die Herausforderungen sind groß – ja.
Aber wir sind viele!
Und wir stehen aufrecht.
Und wir haben Licht.
Lassen Sie uns gemeinsam leuchten.
Lassen Sie uns gemeinsam eintreten für die Menschenrechte – in Bremen, überall, heute und jeden Tag.