@ Dr. Kirsten Kappert-Gonther mit Dr. Andrea Benecke, Präsidentin des Bundespsychotherapeuten-Kammer, Dr. Elke Prestin, Bundesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit (NetzG) und Vorstand Aktion Psychisch Kranke
Der Berliner Politikbetrieb im Bundestag hat wieder voll begonnen. Gleich in der ersten regulären Sitzung des Gesundheitsausschuss nach der parlamentarischen Sitzungspause ist es uns gelungen ein Fachgespräch zur Versorgung psychisch kranker Menschen aufzusetzen.
Es ist allgemein bekannt, dass die Anzahl derer, die Hilfe aufgrund seelischer Krisen benötigen, kontinuierlich steigt. Hilfe zu finden, ist allerdings schwierig. Die psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgungsstrukturen müssen dringend so reformiert werden, dass jede Person die Hilfe findet, die sie benötigt.
Anders als in den letzten Jahrzehnten, in denen es langsam, aber kontinuierlich gelungen ist die Stigmatisierung von psychisch Kranken zu reduzieren, nehmen Ausgrenzung und Stigmatisierung derzeit wieder zu. In Zeiten der drohenden Faschisierung geraten die, die ohnehin an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, weiter aus dem Blick.
Deshalb ist es notwendig, dass sich der Ausschuss für Gesundheit und damit der Bundestag dem wichtigen Thema Mental Health annimmt.
Fünf Expert*innen haben wichtige Aufträge an den Bundestag formuliert:
Es braucht gesetzgeberische Anpassungen, um die psychiatrische Versorgung aus den Krankenhäusern flexibler zu gestalteten (Stichwort Globalbudget in die Regelversorgung). Das Globalbudget bedeutet bessere Outcomes für die Patient*innen und mehr Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden, ohne dass zusätzliche Ausgaben im Gesundheitssystem entstehen.
Ebenso wurde zurecht die Stärkung der psychiatrischen Institutsambulanzen und eine neue Bedarfsplanung für Psychotherapie als Auftrag formuliert. Es ist schon lange nicht mehr vertretbar, dass die Anzahl der Psychotherapieplätze immer noch auf Zahlen aus den 90er Jahren aufbaut und Patient*innen deshalb ewig auf einen Psychotherapieplatz warten müssen. Die Finanzierung der Weiterbildung für angehende Psychotherapeut*innen muss endlich abgesichert werden, um die Versorgung der Zukunft zu sichern.
Dafür ist nicht nur die Verbesserung der psycho-sozialen Versorgungslandschaft überfällig, auch eine Stärkung der Prävention wird benötigt. Wir brauchen endlich ein Suizidpräventionsgesetz in Deutschland.
Sehr klares Statement von allen Expert*innen zur Schädlichkeit von Zwang in der psychiatrischen Behandlung. Zur Reduktion notwendig ist ein „Zwangsmonitoring“ in dem alle Zwangsmaßnahmen aus Krankenhaus und Pflegeeinrichtungen erfasst werden. Beste Mittel gegen Zwang: ausreichend und gut ausgebildetes Fachpersonal, Haltung und Awareness.
Und last but not least: Betroffene müssen in allen Schritten der Versorgung, der Planung, der Durchführung und der Evaluation beteiligt werden. „Nicht über uns ohne uns!“ Dieses Motto der Behindertenbewegung gilt auch für die psycho-soziale Versorgungslandschaft.
Das Fachgespräch im Gesundheitsausschuss hat wichtige Impulse geliefert und bestätigt uns darin, gegenüber der Bundesregierung weiter lautstark für Maßnahmen zur Verbesserung der seelischen Gesundheit einzutreten.