Worum es bei der Debatte um den Hebammenhilfevertrag geht

Wir brauchen einen echten Kulturwandel in der Geburtshilfe. Hebammen sind unerlässlich für eine gute Geburt – und deshalb ist klar: Ihre Arbeitsbedingungen müssen stimmen.
Die aktuelle Debatte um den neuen Hebammenhilfevertrag verunsichert viele: Hebammen ebenso wie Schwangere und ihre Familien.

Ich verfolge die Verhandlungen zum neuen Hebammenhilfevertrag seit Beginn sehr genau. Die Situation ist komplex und wird kontrovers diskutiert. Hier habe ich die wichtigsten Hintergründe, Kritikpunkte und aktuellen Entwicklungen zusammengefasst.

Hintergrund und Kritik
Die Vergütung von Hebammenleistungen wird nach § 134a SGB V zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) und den Berufsverbänden der Hebammen vertraglich vereinbart. Diese Berufsverbände vertreten jedoch sehr unterschiedliche Gruppen von Hebammen. Die meisten Beleghebammen, um die es zentral bei der Debatte um den Hilfevertrag geht, werden mehrheitlich vom Deutschen Hebammenverband (DHV) vertreten.
Da in den Verhandlungen über den neuen Hebammenhilfevertrag keine Einigung zwischen allen Beteiligten erzielt werden konnte, entschied am 2. April 2025 die Schiedsstelle. Dort hatte der DHV lediglich eine von vier Stimmen.
Der von der Schiedsstelle festgesetzte Vertrag trat zum 1. November 2025 in Kraft.
Dieser neue Hebammenhilfevertrag wird zu Recht vom Deutschen Hebammenverband (DHV) kritisch bewertet.

Zentrale Kritikpunkte des DHV:

  • Vergütungsnachteile
  • fehlende Planungssicherheit
  • Risiken für die Eins-zu-Eins-Betreuung

Besonders betroffen sind Beleghebammen im Kreißsaal.

Wer sind Beleghebammen?
Begleit- oder Beleghebammen betreuen Frauen häufig während der gesamten Schwangerschaft und begleiten sie auch bei der Geburt in der Klinik. Sie sind dort nicht angestellt, sondern nutzen die Kreißsäle für die Geburt und verlassen die Klinik nach der Entbindung wieder. Beleghebammen arbeiten selbstständig und rechnen ihre Leistungen direkt mit den Krankenkassen ab.
Rund 20 Prozent aller Geburten in Deutschland werden von Beleghebammen begleitet. In einigen Bundesländern ist dieses Modell besonders verbreitet, dort hängt die Geburtshilfe zu großen Teilen an den Beleghebammen. In Bremen hingegen gibt es kaum Beleghebammen.

Meine politischen Initiativen
Ich bin seit Jahren in engem Kontakt mit dem Deutschen Hebammenverband. Schon vor Inkrafttreten des neuen Hebammenhilfevertrags stand ich im Austausch mit dem Deutschen Hebammenverband und dem GKV-Spitzenverband. Nach dem Schiedsspruch war für mich klar:
Dieser Vertrag sollte so nicht in Kraft treten, er muss dringend verbessert werden.
Das ist nicht trivial, denn ein Schiedsspruch bedeutet üblicherweise das Ende von Verhandlungen. Doch wenn sich Beleghebammen aufgrund nachteiliger Vergütungsstrukturen aus der Geburtshilfe zurückziehen oder in andere Bereiche – etwa die Geburtsvorbereitung – wechseln, entstehen gefährliche Versorgungslücken. Das müssen wir verhindern.

Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass am 25. Juni 2025 im Gesundheitsausschuss des Bundestages ein Fachgespräch stattfindet und auch die Bundesregierung zum Umgang mit dem Hebammenhilfevertrag befragt wird.

Am Fachgespräch im Gesundheitssauschuss nahmen teil:

  • Deutscher Hebammenverband (DHV)
  • GKV-Spitzenverband
  • Netzwerk Geburtshäuser
  • Verband der freiberuflichen Hebammen Deutschlands (BfHD)
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)

Aktuelle Entwicklungen
Nach dem Fachgespräch kam neue Bewegung in die Verhandlungen. Der GKV-Spitzenverband legte dem DHV Kompromissvorschläge vor, und es kam erneut zu Gesprächen – ein bemerkenswerter Schritt nach einem Schiedsspruch.
Der GKV-SV hat damit die berechtigte Sorge ernst genommen, dass der neue Vertrag zu einer Abwanderung von Beleghebammen aus der Versorgung führen könnte.
Aus meiner Sicht enthielten diese Vorschläge sinnvolle Verbesserungen. Der DHV nahm sie jedoch nicht an. In der Folge trat der problematische Hebammenhilfevertrag am 1. November 2025 unverändert in Kraft.
Der DHV stellte zudem einen Eilantrag beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Dieser wurde inzwischen abgelehnt. Damit bleibt der neue Hebammenhilfevertrag zunächst bestehen.

Welche Kompromissvorschläge liegen auf dem Tisch?
Der GKV-Spitzenverband hält seine Angebote auch nach dem Gerichtsentscheid aufrecht. Darüber bin ich sehr froh. Dazu gehören insbesondere:

  1. Eins-zu-Eins-Zuschläge auch bei schnellen Geburten oder Schichtwechseln

Künftig soll die Eins-zu-Eins-Pauschale auch dann gezahlt werden, wenn die Schwangere erst kurz vor der Geburt im Kreißsaal ankommt oder die Betreuung aufgrund eines Schichtwechsels von einer anderen Hebamme übernommen wird. So ist der Zuschlag bei mehr Geburtsbetreuungen erreichbar.

  1. Abrechnung ambulanter Akut-Abklärungen durch Beleghebammen

Bislang waren Leistungen zur ambulanten Abklärung eines akuten Behandlungsbedarfs für die Beleghebammen nicht gesondert geregelt. Solche Leistungen werden üblicherweise über das Krankenhaus vergütet, in dem die Schwangere zur Abklärung vorstellig wird. Der GKV-SV schlägt nun eine eigene für Beleghebammen anrechenbare Leistung vor, wenn diese nicht über das Krankenhaus vergütet wird.

  1. Eine Konvergenzphase zur Umstellung

Ein stufenweises Inkrafttreten soll Beleghebammen mehr Zeit geben, sich auf das neue Vergütungssystem einzustellen und Abläufe anzupassen. So kann die Stärkung der Eins-zu-Eins-Betreuung schrittweise besser gelingen.

Fazit
Die aktuelle Situation ist äußerst unbefriedigend. Der problematische Hebammenhilfevertrag ist unverändert in Kraft, während Schwangere und ihre Familien durch die öffentliche Debatte verunsichert sind.
Für eine gute Versorgung, sichere Geburten und faire Arbeitsbedingungen für Beleghebammen braucht es dringend eine gemeinsame Lösung. Nach dem Schiedsspruch und der gerichtlichen Entscheidung halte ich eine Verbesserung der Lage am ehesten durch eine Einigung zwischen dem DHV und dem GKV-SV für möglich – ich hoffe sehr, dass das bald gelingt.
Eine Lösung ist möglich – und sie ist dringend nötig.

Für die Hebammen. Für die Familien. Für einen guten Start ins Leben